DER KREUZRITTER ALTISSIDIO

Als Gottfried von Bouillon alle jungen Ritter Europas zum ersten Kreuzzug aufrief, um das heilige Grab in Jerusalem aus der Hand der Ungläubigen zu befreien, folgten auch vide Adelige aus dem Primiero und dem Feltrino seiner Aufforderung. Unter ihnen waren auch Altissìdio von Lamón und Corrado von Castel Pietra. Aber während der zweite sich sofort nach Augsburg begab, wo sich alle Ritter vor dem Aufbruch zum Kreuzzug versammelten, wurde Altissìdio von einer verheerenden Überschwemmung in Lamón aufgehalten. Er mußte sich an die Spitze der Männer stellen, um die Wildbäche einzudämmen und Brücken und Häuser vor der Wut der Fluten zu schützen. Der tüchtige, mutige Ritter wurde auch von einem Baumstamm verletzt, der von der Strömung mitgerissen worden war, und so mußte er, von Fieberanfällen geplagt, mehrere Wochen im Bett verbringen. Aher eins brannte ihm vor allem auf der Seele: daß er nicht zum Kreuzzug aufbrechen und seine in Deutschland versammelten Freunde erreichen konnte. Als Altissìdio wieder bei Kräften war, ließ er sein bestes Pferd satteln und befahl zwei treuen Schildknappen, alles für die Reise Notwendige zusammenzupacken. Als alle Vorbereitungen getroffen waren, verabschiedete sich der junge Ritter von seiner Familie und ritt auf der Straße gegen den Passo Rolle hinauf, von wo er sich dann durch das Val di Fiemme und über Bozen und den Brenner nach Deutschland begeben wollte, um sich endlich Corrado von Castel Pietra und dem christlichen Heer anschließen zu können. Doch kurz vor San Martino di Castrozza traten ihm aus dem dunklen Wald plötzlich fünf Straßenräuber mit verhüllten Gesichtern entgegen. "Werft sofort Waffen und Geld auf die Erde!", gebot ihm einer, der der Anführer der Fünfergruppe zu sein schien. Doch anstatt zu antworten, sprang Altissìdio vom Pferd, zückte das Schwert und stürzte sich, während er zugleich seine Schildknappen um Hilfe anrief, mit einem furchterregenden Schrei auf die Räuber. Sie kämpften lange miteinander, aber schließlich lagen drei der Halunken verletzt auf dem Boden, ein vierter hatte die Flucht ergriffen, und der Anführer wurde vom Kreuzfahrer persönlich überwältigt. Altissìdio drückte sein Schwert mit der Spitze gegen die Kehle des vermummten Mannes, der sich vor dem Ritter auf die Knie warf und um Gnade bat. ,"Tötet mich nicht, mein Herr! Habt Mitleid mit einem Mann, der einen Fehler begangen hat, ihn aber wiedergutmachen möchte!". "Nimm die Maske ab, daß ich dich erkennen kann!". Mit zitternden Händen 1ieß der Straßenräuber den Umhang herabgleiten, der ihm das Gesicht verhüllt hatte... "Du bist es, Marquardo von Castel Pietra! Der streitsüchtige Burgherr! Dein Bruder Corrado wartet auf mich, um das heilige Grab zu befreien, und du, du terrorisierst während seiner Abwesenheit das Land und überfällst arme Reisende? Ein solcher Schuft verdient zweimal den Tod!", schrie Altissìdio. "Ihr seid ein nobler Kreuzritter, und ich flehe euch an, euer Schwert nicht mit dem Blut eines Christen zu beschmutzen, sondern es rein zu halten für das Blut der Ungläubigen, gegen die ihr im Heiligen Land werdet käpfen müssen! Verlangt von mir, was ihr wollt... nein, ich selbst wähle die Strafe aus. Wenn ihr mich am Leben laßt, werden meine Gefährten und ich uns für immer in die Wälder zurückziehen. Wir werden uns von Wurzeln und Waldbeeren nähren, uns aber verpflichten, alle Pilger gastlich aufzunehmen und ihnen eine Mahlzeit und ein Ruhelager zur Verfügung zu stellen. Als Einsiedler werden wir alle Reisenden unter unseren Schutz stellen!". Altissìdio willigte in diesen Vorschlag ein - auch angesichts der Zuneigung, die er zu Marquardos Bruder Corrado hegte. "Aber hör das San Martin Hospizmir gut zu, Marquardo. Wenn ich aus Jerusalem zurückkehre... und ich kehre sicher zurück... , komme ich sofort hier herauf, um mich zu vergewissern, ob du dieses mir und Gott gemachte Versprechen eingehalten hast. Wehe dir, wenn du nicht hier bist!". So vergingen zwei Jahre, und als Altissìdio endlich aus dem Heiligen Land zurückkehrte, begab er sich - nach den großen Festcn ihm zu Ehren in Feltre und in Lamón - unverzüglich nach San Martino di Castrozza hinauf. Corrado von Castel Pietra war zur Bewachung des gerade befreiten heiligen Grabs in Jerusalem geblieben; aber auch er hatte den Freund gebeten, sofort nachzuschauen, ob sein Bruder sein Wort gehalten und wirklich ein anderes Leben begonnen hatte. Kurz bevor Altissìdio den Paß erreichte, kam plötzlich so dichter Nebel auf, daß er nicht einmal mehr den Steig erkennen konnte. Er hätte sich bestimmt verirrt, wenn ihn der Klang einer Glocke nicht zu einer kleinen Hütte geleitet hätte, in der fünf Personen ins Gebet versunken waren: Es waren Marquardo und seine Gefährten, die den Kreuzritter herzlichst aufnahmen. Altissìdio war von der Bekehrung des ehemals streitsüchtigen Herrn von Castel Pietra so tief beeindruckt, daß auch er auf Reichtum und Wohlleben verzichtete und sich den Einsiedlern anschloß. Und gemeinsam mit ihnen gründete er das Hospiz von San Martino di Castrozza, das den Reisenden jahrhundertelang tröstenden Schutz und Unterstand gewädrte.


In Bild:
das Hospiz von San Julian und San Martino di Castrozza,
vor die Zerstörung während des ersten Welt Krieg

 


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