Pabsts "Lulu"
Zum Tode von Louise Brooks
 
di Volker Baer ("Der Tagesspiegel", 10 August 1985)
 

          Nahezu ein halbes Jahrhundert hat sie nicht mehr von der Kamera gestanden, doch ihr Ruhm hat sich über die Zeiten hinveg bewahrt. Ganz besonders aber ist der Name von Louise Brooks, die nur in 24 Filmen mitgewirkt hat, mit zwei Arbeiten verbunden, mit der Wedekind Verfilmung Die Büchse der Pandora und mit dem Das Tagebuch einer Verlorenen, beide 1929 von G. W. Pabst inszeniert. In ihrem Hause in Rochester im Staate New York ist sie am 8. August an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben. Uber hir Alter gehen die Angaben auseinander. Sie muß - nach verschiedenen Quellen - zwischen 1900 und 1907 geboren sein.
          Fest steht hingegen, daß sie in Wichita in Kansas geboren wurde. Uder eine Tanztruppe kam sie zu den
Ziegfeld Follies. 1925 drehte sie ihren ersten Film. Den Durchbruch erreichte Louise Brooks 1929 in Howard Hawks' Komodie Blaue Jungen - blonde Madchen (A girl in every port), an die sich noch Die Stimme aus dem Jenseits und dann Pabste - Filme anschlossen. Durch ihre beiden Rollen in den deutschen Filmen (an der Seite von Diessl, Kortner, Lederer sowie Valeska Gert und Fritz Rasp) wurde Louise Brooks, ein ebenso eigenwilliger wie verschlossener Typ, auch in Europa weithin bekannt.
         
Sie verköperte laszive Reize und zugleich spröde schönheit. Sie war mehr als zeittypisch, sie war - gerade bei Wedekinde - die lockende Weiblichkeit schlechthin. Sie existierte, wie Lotte E. Eisner es formulierte, "mit einer erschütternden Eindringlichkeit, sie wandelte durch diese beiden Filme mit einer rätselhaften Unpersönlichkeit". Die Filmhistorikerin meinte, daß Louise Brooks' "Dasein allein schon für den künstlerischen Gesamteindruck wesentlich geworden ist".
         
Erstaunlich, daß die Brooks - nach einem Zwischenspiel in Frankreich Augustino Geninas miß Europa (1930) - in Amerika nicht mehr recht Fuß fassen konnte. Der Tonfilm, so heißt es, machte ihr, wie vielen anderen ihrer Kollegen, Schwierigkeiten. Es folgten noch einige Arbeiten, unter ihnen Gotten Geschenk an die frauen von Michael Curtiz (1931), doch schon 1938 nahm die Schauspielerin Abschied vom Film.

Lotte H. Eisner fragte in ihrer Auseinandersetzung mit dem deutschen Filmexpressionismus Die damonische Leinwand, ob Louise Brooks "wirklich eine große Schauspielerin oder (...) lediglich ein blendendes Geschöpf" ist, "dessen Schönheit den Zuschauer verführt, ihr vielfältige Eigenschaften zu verleihen, denen sie im Grunde fremd bleibt".
         
Daß sie eine kluge Frau war, bewies sie in ihren Aufzeichnungen, die - 1983 auch in deutscher Übertragung unter dem Titel Lulu in Berlin und Hollywood - publiziert wurden. Sie war durch ihre Arbeit in Hollywood desillusioniert, wandte sich, nach einer Karrier von nur 14 Jahren, vom Film ab und wurde zu einer unerbittlichen Kritikerin der Filmwelt, wenn sie etwa über Lillian Gish, die Garbo, über Bogart und W. C. Fields urteilte. In den fünfziger Jahren war sie, die vornehmlich in New York lebte, von jungen Chinéasten aufgespürt und zum Schreiben animiert worden. Und als Autorin zeichnete sie sich durch Klugheit wie durch Klarheit aus, wurde, wie kaum ein anderer Filmschauspieler, zu einer Analytikerin der eigenen Metiers, vom die sie, auch in der Zeit ihrer großen Erfolge, nie viel gehalten haben soll. Ihr Nachruhm gründet sich also nicht nur auf ihre wenigen Filme, sondern auch auf ihre Essays und - wie Filmhistorikermeinen - auf die Hommage, die Godard ihr 1962 brachte, als er Anna Karina in der Geschichter der Nanas Frisur und Make up der Louise Brooks verlieh.
          Mike Nichols vollte, wie jetzt aus Amerika berichtet wird, einen Film über ihr Leben drehen. Sie hatte dafür bereits eine Autobiographie geschrieben, sie jedoch wieder verbrannt. Niemand brauche ein Buch von mir, so meinte die Brooks vor rund fünf Jahren, "um zu lernen, wie er nichts aus seinem Leben macht".

 

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